Auf den Rundgängen der Kunsthochschule Weißensee und der Universität der Künste zeigen die Studierenden ihre Werke aus Projekten des letzten Schaffenszyklus. Warum das Ganze in diesem Jahr eher Massenveranstaltungen glich und im Endeffekt doch zeitgemäßer ausfiel als gedacht – Ein Rückblick
von Imke Kappernagel und Nathalie Ladermann
Tag der offenen Tür – Zwei Wochenenden, zwei Kunsthochschulen, viele Studierende, eine Menge Werke. Im Sommer zeigen die Kunsthochschule Weißensee und die Universität der Künste für gewöhnlich die Werke ihrer Studierenden. Von Bildhauerei und Malerei über Design bis hin zum Bühnenbild: In Weißensee fokussiert sich die Werkschau auf und um das Hauptgebäude. Die UdK hingegen verteilt ihren Rundgang gleich auf mehrere Standorte. Bildende und Darstellende Kunst sowie Architektur sind im Hauptgebäude angesiedelt. In weiteren Gebäuden, die sich über die Stadt verteilen, gibt es außerdem Design, Schauspiel, Tanz und Kostümbild sowie Performances, Lesungen, Talks und Workshops von Studierenden.

Mit diesem strukturellen Grundbau, der den Besucher:innen vielleicht noch aus den vorhergegangenen Jahren bekannt ist, kann nun allerhand entdeckt werden. Unter tausenden von Kunstwerken, die geradezu um Aufmerksamkeit buhlen, sind uns in diesem Jahr dabei einige Sachen besonders aufgefallen – viele aber auch nicht.
Was haben wir also gesehen?
In Weißensee vor allem eine sehr strukturierte, praxisorientierte Herangehensweise. Im Design-Bereich beschäftigt man sich mit neuen Technologien, z.B. mit der Entwicklung neuer Materialien. Wie kann man aus Kaffeesatz Tassen machen, wie aus Algen neue Stoffe oder aus menschlichen Überresten Urnen, die sich selbst umweltneutral zersetzen? Studierende arbeiten mit Strukturen, die auf Berührung reagieren und sich je nach angewendetem Druck bewegen, Geräusche oder Licht ein- und ausschalten, Vibrationen aussenden oder Daten sammeln. In der Bildhauerei haben wir mitunter aber auch freiere Herangehensweisen gefunden. Eine überlebensgroße Installation zieht die Besucher:innen in die Werkstätten, in einem aufgeräumten Raum weiter hinten läuft eine Säge ohne Strom, lethargisch zu atmosphärischen Klängen.

Caroline Breidenbach ist Studentin in Weißensee. Sie macht den Master in visueller Kommunikation. In ihrer Arbeit „Human – Street“ fragt sie, wie Menschen mit ihrer Umgebung interagieren und hält dies in Form von Daten fest. In einer interaktiven Webanwendung stellt sie gesammelte Daten eines Spaziergangs über die Sonnenallee zusammen. Herzfrequenz und Gangtempo, Geräusche und visuelle Eindrücke werden abgebildet. Diesen scheinbar nüchternen, mathematischen Daten gegenüber stellt sie ihre Gedanken zur Entstehung der Arbeit und des Spaziergangs. Vor dem Bildschirm: ein Notizbuch, in dem alles handschriftlich festgehalten ist.

Ausgerüstet mit Kopfhörern und Maus kann nun der Weg anhand der gesammelten Daten nachvollzogen werden. Die Betrachter:innen entscheiden per Mausklick zu welchem Straßenabschnitt welche Daten miteinander in Beziehung gesetzt, was wann und wie abspielt werden soll. Auf diese Weise hat Caroline auch den digitalen Raum als einen Teil unserer Umgebung untersucht. Wunderte man sich erst über die scheinbare Gegenüberstellung von Daten und Gedanken, fiel doch schnell auf: Daten sind Daten, ob Herzfrequenz oder Emotion. Anhand von persönlichen Daten bewerten wir längst, ob etwas gut ist, ob es relevant ist oder nicht. Wir bemessen anhand von Zahlen, von Likes, Views oder Klicks. Je mehr, desto genauer; Je mehr, desto besser. Quantität wird Qualität.
Der Rundgang der UdK widmete sich insgesamt weniger strukturell diversen Themen. Die Besucher:innen fielen von Raum zu Raum und landeten in verschiedenen Welten. Den größten Teil des bleibenden Eindrucks machten insgesamt verschiedenste malerische Arbeiten aus. Aber auch eine sich stetig aufblasende und wieder in sich zusammenfallende Marx-Aufblasfigur in Überlebensgröße ist hängen geblieben. Vieles aber verschwamm in einem Einheitsbrei, den die fleißig studierende Anwärterin des Bachelors in Kunstgeschichte stolz als Konzeptkunst bezeichnen würde. So gelangten auch wir von akribisch aufgeräumten Ateliers mit sauber arrangierten Skulpturen, durch Räume mit Bergen von Müll – also jetzt ganz wörtlich gemeint – und strandeten zeitweilig in einem Raum, in dem man sich in Vernissage-Manier gab. Ein kleiner Ausschank vor dem Balkon, angeregte Gespräche vor den Werken. Ein Happening, das den Kunstmarkt hinterfragt, oder Wunschdenken von unserer Seite?
Abgesehen davon fanden wir aber auch sehr persönliche Arbeiten, die von Isra Abdou zum Beispiel. Isra studiert Bildkunst auf Lehramt an der UdK. Noch vor dem Beginn ihres Studiums riet man ihr, sich das mit dem Lehramt nochmal gut zu überlegen, wolle sie ihr Kopftuch weiterhin tragen. Auch wenn ihre Referenzen sehr gut seien, wegen des Kopftuchs müsse man sich nochmal mit den Vorgesetzten unterhalten.

Mit „Hire me! Am I good enough now?“ spricht sie über diese Erfahrung. Die Arbeit, die in Qualität und Bildaufbau an eine Reihe Arbeiten etablierter Fotograf:innen wie Sherman oder Dijstra erinnert, zeigt Isra mit einer Perücke über ihrem Kopftuch posierend wie auf einem Bewerbungsfoto. Isra versucht Klischees zu hinterfragen, die vor allem in Äußerlichkeiten ihren Ausdruck finden, so fortgeführt und nicht ausreichend hinterfragt werden.
Isras Werk ist so vor allem vor dem Hintergrund des im Rahmen der sogenannten „Kopftuch-Debatte“ bekannt gewordenen Neutralitätsgesetzes spannend. Das Gesetz verbietet das Tragen von religiösen Symbolen an öffentlichen Schulen und ist vor allem problematisch, weil es schwammig scheint und wenig zeitgemäß ausgelegt wird. Religiöse Gegenstände als Schmuckstücke, wie Ketten mit Kreuz-Anhängern, sind zum Beispiel nicht vom Gesetz betroffen. Ist das Kopftuch ein rein religiöses Symbol? Politisch wird es immerhin allein durch die Debatte selbst und kann das Tragen eines Kopftuchs nicht längst auch emanzipatorisch ausgelegt werden?
Zurück zum Gesamteindruck – und an dem hatten auch die Studierenden selbst einen großen Anteil. Geradlinig, dezente Outfits in der Architektur, charismatische Erscheinungen in der Bildhauerei. So wie Haustierbesitzer die Wahl ihres Haustiers vom eigenen äußeren Erscheinungsbild abhängig machen, scheinen sich Kunststudierende in Bezug auf den eigenen Look ihren Werken anzunähern. Oder war es andersrum? Wie herum auch immer, man fragte sich beizeiten, ob nun die Werke oder andere Dinge im Vordergrund standen.
Was wir damit sagen wollen: Neben einigen Ausnahmen erweckte der Großteil der Werke beider Rundgänge in Bezug auf die Qualität doch oft den Eindruck, als habe man eine Woche vorher gemerkt: In ein paar Tagen ist Rundgang! Und aus diesem Grund schnell noch was zusammengezimmert. Rote Streifen auf Pappmaché, dazu ein paar bemalte Klopapierrollen und als Kontrast davor ein paar grüne Lappen geknallt. Daneben ein Pappkarton mit ein paar Schlitzen drin: Zack fertig: Rundgang. Ein Spiegelkabinett, in dem man den Unterkörper des Gegenübers und das eigene Gesicht sieht. Simsalabim: Unterhaltungswert.
Die meisten Arbeiten entstanden zu Oberthemen von Seminaren und Workshops. Trotzdem fragte man sich des Öfteren, unter welchem Motto bestimmte Dinge wirklich entstanden sind, immerhin wird auf Rundgängen auch gekauft und junge Künstler:innen gefördert. Feedback gibt es im Vorfeld zwar in regelmäßigen Abständen, erzählen uns Studierende beider Institutionen, wer das aber wie angenommen hat, blieb ein wenig unklar. Welche Prozesse führten also zum fertigen Werk? Zu großen Teilen wirkten die Rundgänge eben wie Events, auf denen man sich nun mal trifft und ganz nebenbei auch spannende Arbeiten finden kann. Zumindest damit sind die Rundgänge in Zeiten vom Boomen der Biennalen und Kunstmessen aber auf gewisse Weise eigentlich ziemlich zeitgemäß.
Weiterführendes
Mehr Bilder von den Rundgängen findet Ihr auf unserem Instagram-Account: https://www.instagram.com/kunstb.studierendenmagazin/
Mehr zur „Kopftuch-Debatte“:
https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-04/kopftuchdebatte-frankreich-schulen-religioese-symbole
https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-neutralitaetsgesetz-klagen-fuers-kopftuch/21174844.html
Infos zur Kunsthochschule Weißensee und UdK
Ein Kommentar zu „Open Doors – Die Rundgänge von Weißensee und UdK 2018“