Public Art History – Ein Versuch (oder „Meine Reise nach Brüssel“)

von Nathalie Ladermann

Auf meinem Handy: Ein Ticket für den Bus von Amsterdam nach Brüssel. Vier Stunden durch halb Holland und Belgien Zeit genug, für eine Menge Podcasts. Fantastisch. Los geht‘s in Sloterdijk, der Busfahrer nuschelt ein paar Ansagen auf Französisch, Toilette kaputt oder so, naja sind ja nur 4 Stunden. In meinem Podcast geht es um Public History und die Frage „Was hat Geschichte eigentlich damit zu tun, dass die Welt heute so ist, wie sie ist?“

Public History ist nach Definition des Interviewpartners unter anderem daran interessiert Geschichte aus der akademischen Welt in den Alltag zu holen. Wie kann man Menschen die Fähigkeit vermitteln Geschichten zu erzählen? Wie analysiert man Geschichte in Filmen, Serien oder Podcasts? Wie rekurrieren wir mit Sprache auf Geschichte und wie erzeugt man damit Öffentlichkeit? Public History fragt sich wie Geschichte gemacht wird, ist aber vor allem auch Populärwissenschaft.

Ohne Vorwarnung halten wir in Utrecht. Taschen werden gesucht, Menschen steigen um. Eine amerikanische Reisegruppe setzt sich vor mich. Man fragt sich, ob es wohl Malls gibt in Belgien. Unklar. Ich frage mich, ob es wohl Sinn macht über Public Art History nachzudenken. Einen Versuch ist es wert. Wir fahren weiter. Draußen ziehen Bananen-Tags auf Häuserwänden vorbei. Bilder beeinflussen unseren Alltag, sie sind überall und sie vermitteln auch heute noch Werte über wiederkehrende Attribute genauso, wie sie es früher gemacht haben. Zwar haben sich Kontexte und Zuschauer:innen geändert, die Attribute aber nicht signifikant. Ein Beispiel: Banken werben fast durchgehend mit Männern mittleren Alters für Anlagengeschäfte. Graues Haar und Männlichkeit stehen immer noch für Erfahrung und Führungskraft. So, wie man Perseus an geflügelten Sandalen erkannte, erkennen wir heute sofort wer uns was verkaufen will.

Eine SMS meines Telefonanbieters begrüßt mich in Belgien. Die Hälfte ist geschafft. Was könnte man also unter Public Art History verstehen? Public Art History würde sich für Bilder in Öffentlichkeit und Populärkultur interessieren und dafür wie mit Bildern (Kunst-)geschichten erzählt werden. Bilder vermitteln durch Verweise auf (alt)bekanntes und durch Re-kontextualisierung. Die Carters drehen im Louvre, Jeff Koons designt für Louis Vuitton und das Internet inszeniert auffällige Affekt-Darstellungen als Memes. Verweise über Verweise. Klar, Werbung ist extrem, aber selbst wollten wir Bilder in der Kunst von Werbung oder Populärkultur abgrenzen, funktioniert eine Analyse ähnlich. Moderne Kunst rekurriert auf alte Kunst und verwebt sie mit neuen Geschichten: Duchamp malt der Mona Lisa einen Schnurrbart und inszeniert sie als Attention-Whore: „L.H.O.O.Q.“. Oder inszeniert er die Medien, die sie nach ihrem Raub dazu gemacht haben, was sie heute noch ist? Was ein Bild erzählt, verstehen wir einerseits aufgrund eigener, früherer Erfahrungen mit Bildern und andererseits durch ein historisches Verständnis einer Geschichte von Bildern. Wie sind sie strukturiert, wie erzählen sie Geschichten? Das gilt nicht nur für ein Verständnis von Bildern, sondern genauso für ein Verständnis des Fachs Kunstgeschichte. Was Kunstgeschichte heute macht, verstehen wir erst, wenn wir wissen, wie das Fach überhaupt funktioniert. Schnarchen aus der Reihe hinter mir.

Wir irren durch Antwerpen, Stau auf der Autobahn. Was will ich eigentlich sagen? Das ist kein Plädoyer für eine neue Kunstgeschichte, das hier ist eine Gedankenreise durch unsere Möglichkeiten. Macht kunst b nicht so etwas wie Public Art History? Wir erzählen Kunstgeschichten, ohne selbst zu forschen und oft mit persönlichem Bezug. Wir erzeugen Öffentlichkeit und womöglich hat dieser Text am Ende ein größeres Publikum, als all meine Hausarbeiten zusammen. Und während wir die Ausfahrt nach Brüssel verpassen denke ich, dass diese Art der Vermittlung ziemlich spannend ist. Mittel, wie diese Website erschließen uns Studierenden die Möglichkeit unabhängig zu diskutieren und zu kommentieren. Das heißt wir haben ein bisschen Verantwortung, aber auch großes Potential. Nutzen wir das, wird das auch unser Fach beeinflussen. Und wir sind lange nicht das einzige Para-Universum in der Kunstgeschichte Off-Spaces veranstalten Talks, in den Museen gibt es Lecture-Performances. Diskurse erweitern sich und die Grenzen zwischen Akademischer Kunstgeschichte und Kunstgeschichte in der Öffentlichkeit, genauso wie die Bezeichnungen derer, die sie betreiben verschwimmen. Zurück zu Public History, denn ich denke auch, dass sich Public History und Public Art History in einem wichtigen Punkt unterscheiden würden: Geschichte betrifft wohl jeden-, Kunstgeschichte immerhin einen größeren Teil unseres Alltags. Was meint Ihr?

In Brüssel angekommen suche ich mir in der nächsten Mall jetzt aber erst mal eine Toilette, war dann doch lang, die Fahrt.

Titelbild: James Tissot: Junge Frau im Boot, 65 x 49 cm, Öl auf Leinwand, 1870. (bearbeitet)

Weiterführendes:

Zum Podcast mit erwähntem Interview geht’s hier lang.

An der FU gibt es den Studiengang Public History

 

Banken, auf die ich mich beziehe:

https://www.deutsche-bank.de/pk.html

https://aktionen.consorsbank.de/ev/ev_trader_due/?partnerId=SE1&aid=se000085&cid=SEBRNA99

https://www.commerzbank.de/portal/de/privatkunden/wertpapiere-und-maerkte/wertpapiere/aktien/aktien-fuer-einsteiger.html

https://www.dkb.de/privatkunden/broker/

https://www.postbank.de/privatkunden/depot-eroeffnen.html

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