von Ida Rees
Die normalerweise strahlend weißen Wände sind gesäumt von einem dunklen Vorhang. Die Luft ist warm, die Stimmung nahezu gemütlich. Unweit des S+U Bahnhofes Pankow, in der 150 m² großen Jugendstilwohnung, ist es – passend zum Winter – gemütlich geworden. Für ein paar Wochen hat sich die Galerie Pankow in ein Kino verwandelt. Die Tatsache, dass eine Galerie zum Kino wird und welchen nutzen sie davon haben kann, bedarf einer kurzen Erklärung.
Die Galerie Pankow ist eine der ältesten Kommunalen Galerien Berlins. Die Stadt beherbergt in allen Bezirken zusammen 31 dieser Galerien, die ausstellen – aber nicht verkaufen. Die Kommunalen Galerien Berlins sind facettenreiche Kleinode neben dem großen kommerziellen Angebot. Orte der Begegnung, des Experimentierens und der Vielfalt dieser Stadt. Neben den Ausstellungen finden zahlreiche kostenlose Angebote statt: Künstler:innengespräche, Lesungen, Performances, Vorträge, Videokunst und Filmvorführungen. Jede:r, mit Interesse an der zeitgenössischen Kulturszene in Berlin, sollte dieses Angebot nutzen. Denn in den kommunalen Galerien gibt es die Möglichkeit Künstler:innen kennenzulernen, Diskussionen mitzugestalten und sich zu vernetzen.
Die Ausstellung Wir wären so gerne Helden gewesen findet im Rahmen des Videoart at Midnight Festivals statt. Einmal im Monat, freitags Null Uhr, lädt Olaf Stüber im Kino Babylon Künstler:innen und ihre Filme ein. Die Videoart at Midnight jubiliert nun 10 Jahre, dies war der Anlass ein Festival zu gestalten, das weit aus dem Babylon heraus strahlt.
Täglich werden in der Galerie sechs Filme der Künstlerin Barbara Metselaar Berthold (geb. 1951) ausgestrahlt.
Opus Magnum dieser Schau ist der Film Wir wären so gerne helfen gewesen (1995/96, Hi8, Beta SP, 123 Min). Der Dokumentarfilm beginnt mit einer Abfolge von Fotografien aus dem Leben der Künstlerin. Sie selbst meldet sich zu Wort: „Das ist 69, da bin ich in Jena.“ Leipzig wird die nächste Station bevor sie in den Prenzlauer Berg nach Ost-Berlin zieht. Es folgt eine kurze Erzählung zu diesen verschiedenen Lebensorten und anschließend Fotografien von Freund:innen. Es sind Fotografien, die ein letztes Mal die Begegnung mit diesen Menschen dokumentieren. Barbara geht 1984 nach West-Berlin. Nach der Wende, in den frühen 90ern sucht sie die Fotografierten wieder auf. Wie war das – die Zeit in der DDR, die Wende und dann?
“Der Freund war klar und der Feind war klar, kein Sturm durchs Land und alles gut sortiert.” (Wir wären so gerne Helden gewesen, 1996)
Interviews, authentische Aufnahmen, Fotografien und Musiken füttern die bewegte Dokumentation. Schnelle Sequenzen folgen auf unbewegte Fotografie. Film und Fotografie gehen eine Symbiose ein. Der Zuschauer bleibt allein mit den Bildern und Stimmen der Protagonist:innen. Keine Stimme aus dem Off redet rein, wer da jetzt was sagt und wie er das sagt. Nichts wird kommentiert, nichts wird dem Zuschauer aufgezwungen. Barbara Metselaar Berthold, sie hat Stimmungen und Stimmen der Menschen eingefangen.
“Mir hat mal jemand gesagt, die Menschen haben ein Recht dazu, dahin zu gehen, wo sie sich besser fühlen. Ob du das Konsumsucht nennst, spielt überhaupt keine Rolle. Das hat mich sehr beeindruckt.” (Wir wären so gerne Helden gewesen, 1996)
Der zweite, längere Film Staatsbeben (1989/90, VHS, 45 Min.) ist eine Materialsammlung einzelner Veranstaltungen, die wenige Monate nach dem 9. November 1989 stattfinden. Kulturschaffende verschiedener Institutionen äußern sich zur Situation der Kultur, ihren Ängsten, Unmut, Unsicherheiten und geben Prognosen. Bilder eines Transparents mit den Worten „Rote Rüben statt Kohl von drüben” wechseln sich ab mit einem tanzenden A. R. Penck, einem rauchenden Heiner Müller und bewussten Worten Eckart Gillens.

Die Filme Wir wären so gerne Helden gewesen und Staatsbeben werden in Räumen mit entscheidend großen Leinwänden präsentiert. Sie ziehen die Zuschauer:innen in ihren Bann und zu den Akteur:innen der dokumentierten Zeit. Man ist ganz nah dran – an der Leinwand – an der VHS Qualität – an der Atmosphäre.
Für diejenigen, die nicht die Zeit haben, die Filme in voller Länge zu sehen, werden auch mehrere Kurzfilmformate gezeigt. Der Film Das Haus, der in 15 Minuten Länge eine Bestandsaufnahme des Hauses Huth am Potsdamer Platz dokumentiert, ist dabei ein willkommenes Gegenstück zu den wortreichen Dokumentarfilmen. Das Haus Huth, heute Daimler Contemporary, steht in den Jahren bis 1989 auf einem der größten leeren Plätze einer europäischen Hauptstadt – dem Potsdamer Platz. Inmitten von Mauergeschehen und Alltag wird die Kamera auf dem Dach des Hauses positioniert. Während ein Paar symbolträchtig auf einem Schachbrettmuster Tango tanzt, zeigt sich die urbane Landschaft im Hintergrund mit seiner großen Leere, mit Scharouns Philharmonie und grünem Mauerstreifen. Wir folgen der Kamera an und in die Substanz des Hauses, bis wir schließlich mit ihm in die Wirren des Mauerfalls geraten.
Eine Hand voll Menschen haben in der deutschen Nachkriegszeit politische Entscheidungen getroffen, die die Leben einiger Generationen maßgeblich geprägt haben. Die filmischen Dokumente dieser Ausstellung haben Perspektiven und Stimmungen mehrerer Generationen eingefangen, sie laden uns ein, diesem kollektiven Gedächtnis zu begegnen.
Die Ausstellung Wir wären so gerne Helden gewesen der Künstlerin Barbara Metselaar Berthold ist noch bis zum 13. Januar 2019 in der Galerie Pankow zu sehen.
Weiterführende Links:
https://galerie-pankow.de/ausstellungen-termine/
http://www.metselaar-berthold.de/
Bilder: Ida Rees