Es ist wieder so weit. Am 1. Oktober startet an den Berliner Unis die Anmeldefrist für die Lehrveranstaltungen zum kommenden Wintersemester. Wie auch schon im Frühjahr haben wir für euch sämtliche Seminarbeschreibungen durchkämmt und die interessantesten, kuriosesten und trendigsten Veranstaltungen rausgesucht.
VON MAGDALENA LÖSCH
Universal Museum in Local Berlin: Museumsinsel, the Ethnographic Museums and the Humboldt Forum.
Wendy Shaw, Kunstgeschichte FU, Zeit: Montag 12-14 Uhr.
Am 6. Dezember 1912 entdeckte der deutsche Archäologe Ludwig Borchardt bei Ausgrabungen in Ägypten eine Sensation: die Büste der Nofretete. Ägypten stand damals unter britischer Besatzung, die ohnehin die meisten Funde den Deutschen zusprach. Borchardt ging aber auf Nummer sicher und schmuggelte die Büste der Nofretete in Lumpen gewickelt nach Berlin. Dort steht sie bis heute im Neuen Museum auf der Museumsinsel. Sie ist nur ein Beispiel für unzählige Kunst- und Kulturartefakte, die in der Kolonialzeit unrechtmäßig erworben oder gar gestohlen wurden und bis heute in Berliner Museen stehen. Über eine halbe Million dieser Objekte befinden sich allein in den Depots des Ethnologischen Museums. Wie sollen wir mit diesen schier unzähligen kolonialen Kulturartefakten heute umgehen? Müssen wir ihre Rückgabe diskutieren oder ist die Internationalität der Ausstellungsstücke nur ein Spiegel unserer globalisierten Welt?
Mit diesem Seminar liegt Wendy Shaw voll im Trend der aktuellen politischen Debatte. Wir finden: das klingt vielversprechend!
Tanz mit Pflanzen
Ruth Geiersberger, Theaterwissenschaft FU, Zeit: Blockseminar.
„Ist nicht das höchste zu erstrebende Wesen die Pflanze, im Hinblick auf die Fähigkeit zu kommunizieren?“ Ruth Geiersberger
Wer es etwas exotischer mag, der findet seine akademische Heimat vielleicht in diesem theaterwissenschaftlichen Seminar. Hier analysiert die Dozentin Ruth Geiersberger mit Studierenden „alltägliche Verhaltensweisen und Kommunikationsstrategien im Umgang mit pflanzlichen Wesen […]. Wir untersuchen, forschen, fragen, spielen und verrichten: Im Rahmen der Übung stelle ich die Begegnung mit der Pflanze in den Mittelpunkt der Feldforschung; sei es im konkreten Raum vor Ort, im Botanischen Garten gleich neben der FU, im Gedanken Raum, und beim Verrichten von Handlungen. Ziel ist es eine szenische (Pflanzen- Raum- und Gesprächs-) Installation zu entwickeln, die dann am letzten Wochenende im Januar 2019 von Gästen besucht werden kann.“
Liebe Frau Geiersberger, wir wollen uns hiermit schon mal als Zuschauer*innen anmelden!
Anm. d. Red.: im Seminartitel wurde durch die Dozentin oder Campusmanagement persönlich nachträglich das Wort „Tanz“ herausgestrichen, so dass die Veranstaltung nun nur noch „mit Pflanzen“ heißt. Davon bitte nicht verwirren lassen. Liebe Frau Geiersberger, falls sie den Titel noch einmal nachbessern: Tanzen mit Pflanzen klingt nicht nur catchy, sondern reimt sich auch!
Partizipation, Pluralität, Potenzialität in Performance heute
Krassimira Kruschkova, Theaterwissenschaft FU, Zeit: Freitag 10:00-14:00, 14-tägig.
Wo wir schon mal beim Thema Theaterwissenschaft sind. Dieses Seminar wollen wir noch mit euch teilen, denn es schadet ja generell nicht, über den Tellerrand des eigenen Instituts zu schauen. Außerdem: die drei Schlagworte des Seminars „Partizipation, Pluralität und Potenzialität“ kommen ja tatsächlich immer wieder auf, wenn von zeitgenössischen Performances und Installationen die Rede ist und – mal ehrlich – man weiß doch immer nicht so genau, was damit eigentlich gemeint ist. Also Frau Dr. Kruschkova, wovon handelt Ihr Seminar?
„Anhand von relevanten theoretischen Texten und Performance-Aufzeichnungen wird Partizipation hinterfragt – u.a. als singuläre Politik der Freundschaft, als Modus eines idiorrhythmischen Zusammenlebens, als schrittweise Intraaktivität. Es handelt sich um eine in jedem Wortsinn kritische Partizipation, die keine gegebene Gruppe, keinen fixierten Plural voraussetzt, die sich vielmehr mit ihrer eigenen Potentialität, Uneinlösbarkeit auseinandersetzt, sofern das ‚Wir‘ immer schon ein temporäres Konstrukt gewesen sein wird. Untersucht werden performative Strategien, die auf dem singulär plural sein in künstlerischen Arbeitsprozessen und Publikumsteilhabe insistieren und Anderes willkommen heißen – in der präzisen Unschärfe von Parallelwelten, in denen wir so seltsam, problematisch und intensiv zusammengehören.“
Ähm ja. Wir haben wieder nix verstanden. Aber vielleicht ja ihr.
Vom deus artifex zum divino artista. Formen künstlerischer Selbstinszenierung in der Frühen Neuzeit
Alessa Rather, Kulturwissenschaft Uni Potsdam, Zeit: Donnerstag 16-20 Uhr, 14-tägig.
Aufgepasst. Hinter diesem Seminar versteckt sich ein handfester Skandal. Wie die alten Häsinnen unter uns Kunstgeschichtler*innen wissen, ist der Seminartitel „…in der frühen Neuzeit“ seit jeher Frau Müller-Hofstede am kunsthistorischen Institut der FU vorbehalten. Nach Seminaren wie „Innen-Räumlichkeit in der Malerei in der Frühen Neuzeit“ (SS 2016), „Skulptur und Malerei in der Frühen Neuzeit“ (SS 2017), „Portrait in der Frühen Neuzeit“ (WS 2017/18) und „Mythologie in der Frühen Neuzeit“ gibt Ulrike Müller-Hofstede dieses Semester das Seminar „Schönheitskonzepte in Theorie und Praxis in der Frühen Neuzeit“ (Donnerstag 12-14 Uhr). Und nun auf einmal das. Konkurrenz aus der Kulturwissenschaft an der Universität Potsdam. Wie kam Alessa Rather nur dazu, ihr Seminar so zu nennen? War es Unwissen oder pure Dreistigkeit? Anyway. Für Liebhaber*innen von Müller-Hofstedischen „…in der Frühen Neuzeit“-Seminaren könnte diese Lehrveranstaltung eine gelungene Abwechslung werden, die den weiten Weg an die Uni Potsdam belohnt.
Animal Aestetics. Mensch-Tier-Beziehungen in der bildenden Kunst von Charles Darwin bis Damien Hirst
Joachim Rees, Kunstgeschichte FU, Zeit: Dienstag 12-14 Uhr.
Tiere sind gerade total en vogue bei uns Kunsthistoriker*innen. Letztes Semester legte die Bildwissenschaftliche Fakultät der HU vor mit einem Seminar über Tierdarstellungen in Mittelalter und Renaissance. Dieses Semester gibt zum einen Karin Gludovatz am KHI ein Seminar über „Tiere in Kunst und Wissenschaft“ (Blockseminar), aber auch Joachim Rees knüpft mit seiner Veranstaltung an den Zeitgeist an: „Das Seminar behandelt künstlerische Zugänge zu Tieren in der Perspektive des kulturwissenschaftlichen Forschungsfeldes der Mensch-Tier-Studien (Human-Animal-Studies). Das Spektrum reicht dabei von den traditionellen Gattungen der Malerei, Skulptur und Fotografie über die Aktions- und Installationskunst zu experimentellen Formen der Interspezies-Art. Themenvorschläge der Teilnehmer*Innen sind willkommen!“.
Wir finden: sehr gut Herr Rees, Trendthema erkannt, und wer schon immer mal wissen wollte, wie Joseph Beuys dem toten Hasen die Bilder erklärt oder warum Damien Hirst Kühe und Haie durchsägt, der sollte sich hier schleunigst anmelden.
Pieter Bruegel d. Ä.
Karin Gludovatz, Kunstgeschichte FU,
Zeit: Blockseminar, Exkursion nach Wien.
Wohin fährt man in einem Pieter Bruegel Seminar auf Exkursion, wenn der wohl bekannteste flämische Maler seinen 450 Todestag feiert? Zu den großen Ausstellungen nach Brüssel, Gent, Antwerpen? Nein, natürlich nach Wien. Zugegeben, auch das Kunsthistorische Museum Wien macht eine Bruegel-Ausstellung. Aber wir können nicht ignorieren, dass Wien ausgerechnet die Heimatstadt der exkursionsleitenden Dozentin ist. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wer Frau Glodovatz bei ihrem bezahlten Heimaturlaub begleiten will, melde sich also für diese Exkursion an.
„Der Fall Gurlitt“ – nur ein Beispiel? Blockseminar zu Quellen und Methoden der Provenienzforschung
Nathalie Neumann, Kunstwissenschaft TU, Zeit: Blockseminar.
Vor zwei Wochen eröffnete im Martin Gropius Bau die Ausstellung „Bestandsaufnahme Gurlitt“, in der die 2013 beschlagnahmten Kunstwerke von Cornelius Gurlitt gezeigt werden, die weltweit Schlagzeilen machten. Nathalie Neumann stellt in ihrem Seminar nun Quellen und Methoden der Provenienzforschung vor: „Neben dem Nachlass Gurlitt, der im Bundesarchiv Lichterfelde als Digitalisat verfügbar ist, sollen an Werken der Ausstellung weitere Archive in Berlin präsentiert bzw. genutzt werden. Die Vielfalt der Werke Gurlitts wiederum bedarf spezialisierter Objektanalysen, die vom Restaurierungsbericht, über die Kunstliteratur und Fotoarchive bis zum Experten reichen. Als Spezialisten werden Wissenschaftler aus dem Team und der Taskforce Gurlitt eingeladen, um den speziellen administrativen und juristischen Rahmen der bisherigen Recherche des Projektes Gurlitt vorzustellen.“
Wer sich für Provenienzforschung interessiert, kommt hier sicherlich auf seine Kosten und kann das theoretische Wissen direkt praktisch anwenden. Darüber hinaus gewinnt man einen Überblick über sämtliche wichtige Archive in Berlin – ein super Vorteil für spätere Seminar- und Abschlussarbeiten!
Meyer Shapiro/Heidegger/Derrida: Streit über van Goghs Bauernschuhe
Peter Geimer/Alexander Düttmann, Kunstgeschichte FU/Kunstwissenschaft UDK, Zeit: Dienstag 18-20 Uhr.
Als Vincent van Gogh in Paris 1886 ein paar ausgelatschte Schuhe malte, konnte er nicht ahnen, dass sich an ihnen einmal eine leidenschaftliche Diskussion zwischen Philosophen und Kunsthistorikern entfachen würde. Martin Heidegger stellte in einer Vorlesung die These auf, Van Gogh habe die Schuhe einer Bauersfrau als eine Art Metapher für ihr mühsames Leben gemalt und schlussfolgerte letztendlich, dass Kunst das „sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit“ sei. Was auch immer Heidegger damit meinte, der amerikanische Kunsthistoriker Meyer Schapiro befand, das sei alles Quatsch und Heidegger habe das Gemälde nicht verstanden. Nach Meyer Schapiro gehörten die Schuhe nämlich Vincent Van Gogh persönlich, nicht einer Bauersfrau, und seien daher vielmehr als Selbstportrait zu verstehen. Da mischte sich der Philosoph Jacques Derrida schließlich ein und zweifelt daran, dass das Bild überhaupt ein Paar Schuhe zeigt.
Wer wissen will, wie der Streit ausging oder eine eigene These in den Raum schmeißen möchte tue dies dienstags von 18 bis 20 Uhr in Peter Geimers und Alexander Düttmanns Seminar.
Foto: Claudia Leverentz