[insert title] – Dem Atelier auf der Spur

von Thomas Stanka | Foto: Merlin Noack

Wie lässt sich Kunstschaffung ausstellen? Wann ist ein Werk abgeschlossen? Welchen Einfluss hat der Ort der Entstehung auf das Werk? Diese und mehr Fragen waren es, welche mit dem Projekt der Kleinen Humboldt Galerie [insert title] aufgeworfen und in der aktuellen Ausstellung behandelt werden.

Von den Fragestellungen der Kleinen Humboldt Galerie, fühlte ich mich sofort angesprochen. Einen Blick auf die Entstehung der Kunstwerke zu werfen, die uns in Galerien taufrisch und sauber kuratiert gezeigt werden, ist bei Atelierbesuchen immer interessant! Besonders erschien mir hier aber, dass es nicht darum ging Künstler:innen in ihren Studios und Ateliers zu besuchen, sondern sie aus ihrem gewohnten Arbeitsumfeld, in einen Raum der Humboldt Universität zu verfrachten. Die vier Künstlerinnen, Helena Hladilová, Anouk Kruithof, Britta Lumer und Zorka Wollny teilten sich für zwei Wochen den Lichthof der Kleinen Humboldt Galerie, als Atelier und Arbeitsort.

Meine Erwartungen an die Vernissage am 11.07. waren demnach groß, ich war neugierig, wie der Lichthof aussehen würde! Das Konzept der Ausstellung sah vor, möglichst wenig aufzuräumen und den Lichthof und die Werke in ihrem Zusammenhang zu zeigen. In meinem Kopf mischten sich Bilder eines klischeehaften Ateliers mit Vorstellungen von subversiven studentischen Aktionen.

Doch die Konfrontation von Vorstellung und Realität offenbarte ein interessantes Ergebniss der Ausstellung; beim Besuch der Vernissage, war ich überrascht vom geordneten und sauberen Erscheinungsbild des Raumes und der Kuration. Der Raum schien mir viel zu sauber und aufgeräumt zu sein! Weder die erwarteten Papierstapel und Farbreste noch sich auftürmende Mensa Teller waren auffindbar. Ich hatte wesentlich mehr Werkzeuge und liegengelassene Gegenstände aus der Atelier-Phase erwartet. Mein Eindruck des immer noch sehr klinisch wirkenden Ausstellungsraumes, entlarvte meine eigene Teilhabe an der Vorstellung des chaotisch-kreativen Ateliers.

Spiegeln konnte diesen Eindruck Alina Topf vom Galerie Team, sie berichtete, dass die Künstlerinnen selbst begannen, kurz vor der Vernissage, den Raum sauber zu machen und Unrat aufzuräumen. Damit überraschten sie das Orga Team, da man eigentlich den original Zustand bestehen lassen wollte. Auf Nachfrage des Teams wurde sinngemäß geantwortet, dass ja auch in den eigenen Ateliers vor einem Besuch oder Meeting aufgeräumt werde. Dieser erste Dämpfer lies mich stutzig werden, waren meine Erwartungen nur das hoffen auf einer Bestätigung eines Künstler:innen Klischees? Ein Nachkomme des Künstlergenies Mythos der Neuzeit? Zum Teil bestimmt ja, aber was ich hoffte vorzufinden war keine unaufgeräumte WG Küche, an deren Zustand ich die Mahlzeiten der letzten fünf Tage nachvollziehen konnte, sondern einen Raum, der von einem leeren Lichthof zu einem Atelier transformiert worden war. Ich wollte die Prozesse und Handlungen wie an einem Tatort nachvollziehen können und besser verstehen wie die gezeigten Werke entstanden sind. Dafür waren die bewusst platzierten Gegenstände, meist zu jedem Werk eins, mir zu wenig. Diese schienen mir mehr wie Sinnbilder für die vergangene Arbeit zu stehen. Etwa wie Kameras die parallel zu Fotoausstellungen gezeigt werden. Sie geben mir selten einen neuen oder interessanten Zugang zu den Werken; dass Fotos mit Kameras gemacht werden und Gemälde mit Farben wusste ich schon vorher. Wo war nun die Verbindung von Werk und Entstehungsort?

Beim Artist Talk am Freitag dem 13.07. berichteten die Künstlerinnen von ihren Eindrücken der letzten Wochen. Der Lichthof als Arbeitsraum wurde von ihnen einstimmig als sehr angenehm und beruhigend beschrieben, auch die Helligkeit wurde als gute Eigenschaft genannt. Jedoch die Universität als Raum war weniger Teil des Geschehens, da sich die Arbeiten doch mehr innerhalb des Lichthofs abspielten. Zorka Wollny eroberte sich das Foyer des Hauptgebäudes im Studi Workshop und belebte dieses mit einer Performance, welcher der kräftigen Architektur etwas Zartes, Künstlerisches gegenüberstellen sollte. Der im Lichthof ausgestellte Teil ihrer Arbeit war ein akustisches Werk, das zusammen mit Christine Schörkhuber und Studierenden entstanden ist: „Lullabys to wake up“ sei demnach direkt vom Raum und seiner Wirkung her inspiriert worden. Das immersive Klangstück erinnert an Schlaflieder und greift, die teilweise makabren Elemente, polnischer Schlaflieder auf und verstrickt Subversives mit der Eindrücklichkeit eines Kinderliedes. Hierbei soll die Ruhe des Lichthofs aufgenommen und mit politischem angereichert werden; das wie die Performance einen Ausgleich zur herrschaftlichen Architektur des Hauptgebäudes schaffen soll. In den Werken Wollnys fand ich letztlich die erhoffte Verbindung von Raum und Werk; nicht als bloßes Dach mit vier Wänden, sondern als direkte Inspiration oder stillem Teilhaber prägt der Raum die Werke Wollnys.

Neben der Auseinandersetzung mit Raum und Werk, wollte das Projekt aber noch andere Dimensionen beleuchten. In Form von Workshops, wurden Studierende als Teilnehmer:innen mit in die Entstehung der Werke einbezogen. Damit tritt neben dem Raum noch das Soziale als Einflussreiche Entität auf. Vom Erfolg der Workshops berichteten alle vier Künstlerinnen beim Artist Talk. Die Beteiligung von Außenstehenden endet nicht bei den Workshops, auch der Katalog zur Ausstellung wird in Zusammenarbeit mit einem Seminar von der HTW erstellt und wird Anfang nächsten Jahres erscheinen.

Neben meiner Suche nach dem sagenumwobenen Atelier, gab es noch andere Ergebnisse und Aspekte, die dieses Projekt bearbeitete, aber das wäre Stoff für einen anderen Artikel…

Zurückgeworfen in die harte Realität, wird die Kleine Humboldt Galerie dadurch, dass der Lichthof, der die letzten Jahre ihr Domizil war, nun im Zuge der Umbauten dem „Cum Laude“ Restaurant zugesprochen werden. Eine Entscheidung die ich sehr bedenklich finde. Abgesehen von der Ironie der Frage der Raumnutzung in Zusammenhang mit Kunstschaffung, in der nun wahrscheinlich letzten Ausstellung im Lichthof, ist das Verdrängen studentischer Räume zu Gunsten von Einnahmen für die Universität ein leider bekanntes Symptom der Entwicklungen des Universitätswesens der letzten Jahre. Das Verhalten von Universitäten ihren Unternehmenscharkter auszuprägen ist ein politisches Problem das seinen Höhepunkt in der BRD wahrscheinlich um das Jahr 2009, im Zuge der Demonstrationen und Aktionen, gegen die damals geplanten Studiengebühren hatte. Ein Fall den die meisten von uns wahrscheinlich nur als Schüler:innen war genommen haben. Damals hatten Protest und Widerstand Erfolg!

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