von Imke Kappernagel
Ein Künstler ist jemand, der Dinge herstellt, die die Menschen gar nicht brauchen
„Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug“, soll Epikur ca. 300 v.Chr. gesagt haben. „Kann ich auch mit Karte zahlen?“, habe ich letzte Woche gesagt. Als Königin des Impulskaufs finde ich mich immer andauernd an der Kasse eines beliebigen Museumsshops wieder. An meiner linken Hand einen Schlüsselanhänger an jedem Finger – für meinen erweiterten Bekanntenkreis. In meiner rechten Hand drei Tassen, einen Bildband und eine Packung Servietten. Unter dem Arm einen angemalten Baby-Elefanten. Alles passend zur aktuellen Sonderausstellung des Hauses. Ok, das mit dem Baby-Elefanten ist gelogen, mit dem Rest werde ich objektiv betrachtet aber auch nicht mehr anfangen können. Museumsshops sind für mich gefüllt mit extrem viel nicht zu gebrauchenden Krims-Krams. Kruschkram. Nippes. Ramsch. Trotzdem kann ich nicht auf einen Besuch verzichten.
Ich baue mir ein Museum und benötige: ein Gebäude, ein Ausstellungsstück, einen Besucher, eine böse schauende Aufsicht, einen Museumsshop. Jedes noch so kleine Museum besitzt einen Museumsshop. Dies ist nicht nur auf den wachsenden wirtschaftlichen Druck zu schieben, dem Museen unterliegen. Vielmehr sind die Shops, nach mehr oder weniger intensiver inhaltlicher Auseinandersetzung mit den Objekten, der Ort, an dem endlich vollkommen durch jede:n mit dem Museum interagiert werden kann. Wenn der Inhalt unzugänglich und die Luft schlecht war, so lässt sich das Erlebnis hier einfach positiv beenden. Neben dem obligatorischen Ausstellungskatalog oder Postkarten finden sich auch allerlei Kuriositäten im Shopping-Center eines jeden Museums. So verkauft das Jewish Museum in New York blaue Stoffspielzeuge für Hunde aus Plüsch und mit kosher-Aufdruck für 10 $ das Stück. Das Van Gogh Museum in Amsterdam geht mit Ofen-Handschuhen mit Mandelblüten-Motiv für 6,95 € ins Rennen. Wer schnell ist, kann sich im Kunsthistorischen Museum in Wien noch die Jäger im Schnee-Schneekugel für 4,95 € anstatt
9,95 € sichern. Für den einen sind diese Dinge Ramsch, für den Anderen Design-Objekte.
Zu den Fakten. Museumsshops sind oft extern geführt und die Betreiber:innen zahlen Pacht an die Museen. In Berlin brachte das den Staatlichen Museen 2013 rund eine Millionen Euro ein. Wer sich für diese rein wirtschaftliche Seite interessiert, sei an Julia Löhrs Artikel in der FAZ aus dem Jahr 2013 verwiesen, der unter dem Titel „Einkaufen zwischen Alten Meistern und Regenschirmen“ die Lage in Bezug auf Vermarktung und Konkurrenz analysiert. Eher soll aber an dieser Stelle danach gefragt werden, warum wir das Gefühl verspüren, unseren Museumsbesuch mit einem Souvenir zu krönen.
Warum kaufen wir also? Ok, lassen wir das wir. Ich. Wir können mir dieses Problem diagnostizieren. In Zeiten, wo man Bücher eher im Internet bestellt und alle von Minimalismus reden, gibt es sie trotzdem noch, diese Zentren der scheinbaren Sinnlosigkeit und der Definition von Überfluss. All die Gegenstände in ihnen machen uns, vielleicht auf Grund fehlender anderer Möglichkeiten, zu Sammlern im kleinen Rahmen. Ferner müssen wir den Kuss von Klimt nicht persönlich gesehen haben, wenn wir auch in der Alten Pinakothek ein Stück von ihm als Kunstdruck mit nach Hause nehmen können, obwohl das Original in Wien hängt. Was der arme Gustav darüber denken würde, bleibt die Frage. Wir können so aber uns selbst und allen Besucher:innen unserer Wohnung versichern, Teil von etwas gewesen zu sein, das im weitesten Sinne als Kunst bezeichnet werden kann. Dabei fallen wir, Entschuldigung, ICH, auf die Marketingstrategien der profitierenden Unternehmen herein und laufe sehenden Auges in mein eigenes ökonomisches und inneneinrichterisches Verderben. Oder eben in Richtung meiner neuen Las-Meninas-Topfuntersetzer.
Der Aufruf ist also, dass alle Museen ihre Merchandise-Abteilung mit sofortiger Wirkung einstampfen und alle verbliebenen Produkte verbrennen sollten, um endlich wieder wahre Kunst und Kultur in diese Tempel der Moderne einziehen zu lassen? Natürlich nicht. Vielmehr ist dies hier eine Hommage an die kleinen Dinge. An das, was uns im Jahr 2034 aus der Schublade entgegenfällt und uns daran denken lässt, wie schön und problematisch zugleich der Besuch im Pergamonmuseum war – so schön und problematisch, dass man den Ischtar-Tor-Anspitzer einfach nicht bei seinen 20 Artgenossen lassen konnte.
Und so fahre ich in die Nacht hinaus, trage meinen Fahrradhelm in Form des New Yorker Guggenheim-Museums und schaue auf meine Mona-Lisa-Uhr. Es bleibt nur eine Frage: Was serviere ich heute Abend nur auf meinen Tellern mit Pollock-Motiv?
Foto: Imke Kappernagel