von Nathalie Ladermann
Über die (Ver)Lage von Kunstbüchern
Was soll das eigentlich sein, ein Kunstbuch? So wirklich definieren kann ich das gar nicht. Kunstbücher sind längst selbst zur Kunstform geworden und gehören zu einer Sphäre, die sich immer wieder neu definiert. Deswegen ist Definieren vielleicht auch erst einmal gar nicht so wichtig. Die Spanne ist groß von wissenschaftlicheren Abhandlungen wie Gombrichs History of Art bis hin zu Coffeetable Books und kleinen Zines. Es gibt Bücher über, mit und von Künstler:innen, über ganze Epochen und einzelne Ausschnitte davon und alle haben nochmal eigene Kategorien. Kunstbücher sind faszinierend, haben eine besondere Haptik, spezielles Papier und jedes hat seine eigene Ästhetik. Kunstbuchhandlungen gleichen mittlerweile eher Galerien und Kunstbuchmessen finden sich in jeder größeren Stadt. Woher kommt diese Faszination und wie verlegt man Kunstbücher eigentlich? Ein zeitgenössisches Phänomen ist es nicht – Im Gegenteil.

Wann das Ganze genau angefangen hat, lässt sich schwer sagen. Schon Ludwig der XIV. hat Bücher mit Reproduktionen seiner Sammlung herstellen lassen und sie an andere Monarchen verschenkt. Vielleicht fängt man aber auch mit Vasaris Künstlerviten an, oder noch viel früher mit Mittelalterlichen Handschriften? Grundsteine für die moderne Kunstbuchproduktion legen jedenfalls später vor allem Verleger aus Italien und Frankreich, die Familie de Rossi im Rom des späten 17. Jahrhunderts zum Beispiel. Sie schöpft aus einer großen Sammlung von Stichen, also Kopien bekannter italienischer Kunstwerke. Es entstehen Kunstbücher, die man heute vielleicht eher als Stadtführer bezeichnen würde: Rom ist als Pilgerstadt bekannt, besitzt weltberühmte Kunstsammlungen und das will gezeigt werden. Reproduktionen berühmter Häuser, Denkmäler und Gemälde werden sortiert nach Künstler:innen in Büchern abgedruckt und mit kurzen Texten erklärt.
Etwas später in Paris: Im frühen 18. Jahrhundert engagiert der Bankier Crozat für seine Publikationen eigene Stecher, um die damals für herausragend gehaltenen Werke zu kopieren (Hier ging es übrigens auch um italienische Kunst). Der Verleger fasst die Stiche in Form von Reproduktionen in einer Buchreihe zusammen und lässt sie von Experten mit Anmerkungen versehen. Dafür hat er am Ende fast ein Jahrzehnt gebraucht. Viele der hier entstandenen Stiche blieben noch hunderte Jahre erhalten und wurden später sogar in anderen Publikationen in ganz Europa wiederverwendet (zum Beispiel in einem Katalog der Dresdner Galerie um 1750). Die Künstler, deren Originale man abbildete, hatten damals keine Mitspracherechte an den Büchern.

Diese frühen Bücher hatten natürlich Aussagen und sie haben die Kunstgeschichtsschreibung nachhaltig beeinflusst. Der Anspruch: Vollständigkeit, Ordnung und Repräsentation. Sie schreiben unbestimmte Werke Künstlern zu und schaffen Beziehungen zwischen Werken, Künstler:innen, und Entstehungsprozessen. Sie definieren Techniken, legen Epochen fest und ordnen Geschichte. Noch heute sprechen wir von vielen dieser Namen, über Michelangelo zum Beispiel. Für Vasari war der nicht mehr als der Höhepunkt seiner Geschichte der Kunst der Renaissance.
Und an wen richteten sich diese Publikationen? Subskriptionslisten von Crozats Büchern aus Paris verraten: Sie gingen vor allem an Personen aus dem höfischen Leben. Neben Adligen waren das u.a. Bischöfe, hofnahe Künstler und später reiche Sammler:innen. Auflagen bewegten sich im Bereich von 500-1000 Stück.¹ Gleichzeitig enthielten die Bücher Würdigungen an König:innen und priesen deren Sammlungen, von denen die Bücher teilweise mitfinanziert wurden. Sie waren also hochpolitisch, aber dabei ist es nicht geblieben.

Ein paar Jahrhunderte später gibt die Fotografie dem Ganzen eine neue Richtung. Nun war es möglich ganze Sammlungen nicht nur durch Reproduktion von Kopien von Originalen, sondern mit Fotos von Originalen selbst, also scheinbar objektiv, zu dokumentieren. Nutzen Verlage wie der Seemann- und der Deutsche Kunstverlag die Technik vorerst noch mit ähnlichem Anspruch an Vollständigkeit und Ordnung wie zuvor (es entstehen neue, große Übersichtswerke und Enzyklopädien über einzelne Künstler und Epochen), bringt der Phaidon Verlag in den 1930er Jahren neuen Wind in die Sache.
Großformatige Monografien mit vielen Abbildungen entstehen. Phaidon nutzt die Fotografie anders, schafft einen neuen Blick auf die Kunst: Seine Bücher zeigen Gemälde ausschnitthaft, in Teilen vergrößert und sie erstellen Bezüge zu Kunstwerken, die man vorher nicht gemacht hat. Kunst wird neu inszeniert, es gibt wenig Text, große Bilder und den Anspruch die Erfahrung mit der Kunst selbst sei wichtiger als die historische Einordnung.
Das Kupfertiefdruck-Verfahren* erlaubt Phaidon damals extrem hohe Auflagen von bis zu 50.000 Stück in gleichbleibend hoher Qualität. Die vielen Bücher kann der Verlag so für ein Drittel der Preise von normalen Kunstbüchern mit Spannen von 3,25 Mark bis 6 Mark verkaufen – das war eher Romanpreissegment.² Hohen Absatz finden die trotz Krise und somit hat jetzt jeder einen Zugang zu Kunstbüchern, der ein paar Mark in Bücher investieren möchte.
Kunstbücher werden immer spezieller. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte beginnen sich Künstler*Innen immer mehr selbst mit dem Medium auseinanderzusetzen. Teure Editionen von Künstlerbüchern verwischen die Grenze zwischen Kunst und Buch. Der Taschen Verlag beginnt den Fokus auf das Visuelle in den 80er Jahren noch auf die Spitze zu treiben und macht Kunstbücher zum Teil der Pop-Kultur.
Mittlerweile schwebt die Digitalisierung über dem Ganzen – den Markt hat sie verändert. Trotzdem werden Kunstbücher nicht verschwinden, denn sie gehen in die Tiefe und decken vor allem haptische Qualitäten, die online nicht erfüllt werden, erzählt mir Franz König optimistisch. Er leitet den Verlag der Buchhandlung König und gibt im Jahr um die 150 Kunstbücher heraus – von Künstlerbüchern über Ausstellungskataloge bis hin zu Büchern über Architektur.

Wie verlegt man Kunstbücher also heute? Herangehensweisen unterscheiden sich von Buch zu Buch. Das ist vor allem abhängig von den Anforderungen der einzelnen Künstler:innen und Institutionen. Die meisten kommen bereits mit einem fertigen Konzept und genauen Vorgaben für Layout und Papier. Bis zum fertigen Buch kann es 10 Tage dauern, manchmal aber auch ein halbes Jahr, wirft Eva Möller aus der Verlagsleitung des König-Verlags ein.
Ein Beispiel: Ausstellungskataloge werden heute vor allem von Institutionen wie Kunstvereinen und Museen ausgeschrieben, im Anschluss bei einem Verlag in Auftrag gegeben und zum großen Teil selbst finanziert. Die Institutionen haben hierfür ein festes Budget. Das richtet sich nicht unbedingt nach dem Absatz, also der Nachfrage an Kunstbüchern, sondern nach vorab bewilligten Geldern z.B. von Stiftungen.

Auflagenhöhen wägt daher der Verlag ab und bekommt einen Anteil der Erträge aus dem Vertrieb. Riesen-Auflagen wie von Phaidon in den 1930ern sind heute übrigens eher die Ausnahme. Der Verlag ist am Ende Vermittler zwischen Künstler:innen, Autor:innen, Grafiker:innen, Jurist:innen, Drucker:innen und dem Vertrieb des fertigen Buches. Der König Verlag hat dabei eine Sonderstellung: Er kann seine Bücher zusätzlich in der eigenen Buchhandlung vertreiben.
Die Geschichte des Kunstbuchs ist lang. Neue Techniken und Verfahren haben das Verlegen von Büchern im Laufe der Zeit immer einfacher gemacht, alles geht schneller. Die Digitalisierung und einfacheres Networking im Internet öffnen den Markt für immer neue, kleine Verlage und Independent Publisher. Um hier weiter zu bestehen, werden Bücher auch von großen Verlagen wohl immer spezieller werden (müssen).
*Nach dem Titel des Künstlerbuchs „Ich bin ein Buch: Kaufe mich jetzt.“ von A.R. Penck, Greno 1976.
Titelbild: (CC BY 2.0) COD Taschen Book/flickr.com
- ¹ Haskell, Francis: Die schwere Geburt des Kunstbuchs. Berlin 1993.
- ² Krause, Katharina; Niehr, Klaus (hrsg.): Kunstwerk – Abbild – Buch. Das illustrierte Kunstbuch von 1730 bis 1930, München u. Berlin 2007.