Haters gonna Hate oder: Was Menschen vor Kunst sagen.

von Imke Kappernagel

Selfies vor Gemälden in Museen machen ist ungefähr so cool, wie Impfgegner sein. Oder Hardrock-Café- Shirts. Es sei denn, man ist Beyoncée und Jay-Z oder man ist selbst auf dem Bild abgebildet, wie Michelle Obama. Menschen gehen mit Kunst um, wie Gaffer mit Autobahnunfällen. Foto, oder es ist nicht passiert.

Und diese Sorte ist noch die harmlose. Schlimm wird es, wenn sich Heinrich und Annegrit einbilden, ihr Urteil wäre in irgendeiner Weise von Belang. So wichtig und originell, dass es direkt auch verbalisiert werden muss. „Siehst du den Strich dort, Heinrich? Ist das Kunst, oder kann das weg? Das hätte ich auch machen können.“ Hast du aber nicht Annegrit. Hast du nicht.

Vor Kunstwerken geben die Menschen aller Art Absurdität von sich. Dabei ist es durchaus ok, Unverständnis auszudrücken. Das will ich gar nicht sagen. Ich checke das auch nicht, was Jonathan Meese mir mit seinem manischen Rumgeschreie und den komischen Collagen sagen möchte. Echt nicht. Und warum zur Hölle halten es die Leute für akzeptabel, dass Bruce Nauman durch Leuchtschilder mit Tumblr-Sprüchen Millionär wird? Come on. Eat. War.

Das, was von meinem Glauben an die Menschheit übriggeblieben ist, wurde aber durch eine andere Situation zerstört: „Die Tiefe der Arbeit zeugt von einer Inneren Verletzlichkeit des Künstlers. Die Berührung der Wahrhaftigkeit dessen, was uns als Mensch ausmacht. Nackt geboren. Und hier so eindeutig visualisiert.“ Ich stehe ebenfalls vor dem mit pinken Plüsch überzogenen alten Passat. Für mich ist da nichts wahrhaftig und ich atme vielleicht etwas zu passiv-aggressiv aus. Ich könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Und, wenn meine Aufmerksamkeit nicht zu einem Paar auf der anderen Seite des Raums wandern würde, das vor einem riesigen Gehirn aus Pappmasché steht. „Ich findet dieses Bild so stark, das hier erzeugt wird. Weißt du, das ist irgendwie noch echt. So unberührt.“, sagt sie. „Ja, voll.“, sagt er. Da wird heute Abend mit Sicherheit noch was gehen. Irgendwo in der Ecke findet irgendwer irgendwas kafkaesk. Die Museumsaufsicht popelt in der Nase. So viel geballte Kompetenz in einem Raum. What a time to be alive.

Mir kann man es nicht recht machen. Das ist an dieser Stelle ein berechtigter Einwand. Die Einen fühlen zu viel, die Anderen zu wenig. Stimmt schon. Lösungsansätze habe ich auch keine. Was ich mir aber wünschen würde, ist mehr Nachdenken. Weniger Angst vor Unverständnis. Und das Bewusstsein dafür, dass die Reproduktionen im Internet besser sind, als jedes Foto, das du im Vorbeigehen mit deinem Handy je machst.

So. Das musste mal gesagt werden. Ich beruühige mich jetzt wieder und gehe ein bisschen spazieren. Vielleicht macht mir jemand von kunst b ja einen Tee.

Foto: Imke Kappernagel

Ein Kommentar zu „Haters gonna Hate oder: Was Menschen vor Kunst sagen.

  1. Jetzt verstehe ich besser was meine Freundin so wütend gemacht hat, als ich sagte: „Das kann ich aber auch. Was ist so besonders daran?“. Vielen Dank dafür. Grüße aus Gießen.

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